Zusammenfassung
Als Google 2022 das E-A-T-Modell um Experience erweiterte, verschob sich die Bewertung von Content-Qualität grundlegend. E-E-A-T würdigt nicht mehr nur theoretisches Wissen und institutionelle Autorität, sondern auch persönliche Erfahrung als eigenständiges Vertrauenssignal. Dieser Artikel erklärt, warum dieser Wandel notwendig war, wie Google Experience erkennt und welche Rolle Source Entity Trust als übergeordneter Vertrauensrahmen spielt.
Vom E-A-T zu E-E-A-T
Warum Experience heute der entscheidende Vertrauensfaktor ist
1. Warum E-A-T überhaupt entstand
Als E-A-T 2014 eingeführt wurde, sollte das Modell eine Grundfrage lösen: Wie kann Google erkennen, ob ein Inhalt vertrauenswürdig und qualitativ hochwertig ist – ohne selbst Experte zu sein?
Die Antwort war ein Kriterienkatalog, der die Qualität von Webseiten besser einschätzen sollte. Damals war die digitale Landschaft geprägt von Keyword-Spam, oberflächlichen Artikeln und aggressiven Affiliate-Seiten. Google brauchte ein Modell, das der Suchmaschine half, zwischen echten Experten und professionell getarnten Informationshüllen zu unterscheiden.
Die ursprüngliche Idee war nüchtern:
Expertise prüft fachliche Kompetenz.
Authoritativeness bewertet Anerkennung durch Dritte.
Trustworthiness misst Zuverlässigkeit und Integrität.
Doch das Modell hatte Grenzen. Es bevorzugte Institutionen, etablierte Seiten und klassische Reputation. Für neue Autoren und frische Projekte war es oft schwer, überhaupt in dieses System hineinzukommen.
2. Die Grenzen des klassischen E-A-T
Mit der Zeit zeigte sich: E-A-T war wichtig, aber nicht ausreichend. Es gab drei zentrale Probleme:
a) Expertise war zu akademisch
Viele Themen leben nicht von theoretischer Expertise, sondern von pragmatischer Erfahrung. Ein Bergführer ohne akademischen Titel ist wertvoller als ein Professor, wenn es um Lawinensicherheit geht.
b) Neue Author Entities hatten kaum Chancen
Neue Publisher mussten jahrelang Reputation aufbauen, bevor sie in E-A-T-Systemen sichtbar wurden. Das war besonders in dynamischen Märkten ein Problem – von Reisen bis Technologie.
c) Google konnte praktische Erfahrung kaum erfassen
Ob jemand wirklich erlebt hatte, worüber er schrieb, war für Google schwer zu erkennen. Inhalte konnten exzellent formuliert sein – ohne jede Verbindung zur Realität.
Diese Lücke wurde immer sichtbarer. Nutzer vertrauten zunehmend jenen Inhalten, die aus erster Hand erzählt wurden. Das entsprach nicht dem klassischen E-A-T-Modell.
3. Der Wendepunkt: Die Einführung von „Experience"
2022 ergänzte Google das Modell um einen vierten Faktor: Experience. Damit verschob sich die Betonung: Nicht nur was jemand weiß, sondern auch was jemand erlebt hat, wird zu einem zentralen Signal für Qualität.
Experience vs. Expertise
Expertise
Wissen, Ausbildung, methodische Fähigkeit – theoretisches Verständnis
Experience
Gelebte Praxis, unmittelbare Erfahrung, eigenes Erleben – praktisches Durchleben
Google reagierte damit auf ein globales Muster: Menschen trauen persönlicher Erfahrung stärker als abstraktem Wissen. Das gilt für Finanzen, Medizin, Reisen, Software oder Konsumentscheidungen. Wenn jemand aus eigener Erfahrung schreibt, entsteht Nähe, Glaubwürdigkeit und narrative Präzision.
Warum Experience semantisch sichtbar ist
Erfahrung äußert sich in:
- Ich-Perspektive
- konkreten Daten („Am 12. Januar…")
- bildhaften Beschreibungen
- Fehlern, die der Autor gemacht hat
- Vergleichen aus der Praxis
- Empfehlungen, die klar aus Erlebtem stammen
- Fotos, Screenshots, Dokumentationen
Diese Signale bilden ein semantisches Muster, das LLMs und Suchmaschinen heute gut erkennen können.
4. E-A-T vs. E-E-A-T im direkten Vergleich
Mit dem zusätzlichen „E" wird das Modell zu einem ganzheitlicheren Bild von Vertrauen. Während klassische Expertise weiterhin zählt, werden reale Erfahrungen stärker gewichtet.
Der fundamentale Unterschied
E-A-T war ein Qualitätsmodell für Webinhalte.
E-E-A-T ist ein Vertrauensmodell für Mensch-zu-Mensch-Information.
Ein Beispiel:
- Ein Finanzberater mit 20 Jahren Berufserfahrung (Expertise)
- Ein Bürger, der selbst durch eine schwere Inflation gegangen ist (Experience)
Beide haben Wert. Aber je nach Thema ist die Erfahrung oft das authentischere, relevantere Signal.
Damit nähert sich Google dem an, was Nutzer intuitiv tun: Sie folgen jenen Stimmen, die „dabei waren", nicht jenen, die nur wissen, wie es theoretisch ist.
5. Wie Google Experience erkennt
Google hat kein „Experience-Messgerät". Es erkennt Muster. Dazu gehören:
Narrative Signale
- persönliche Perspektive („Als wir 2021 in Peru ankamen…")
- situative Details
- Episoden, die zu spezifisch sind, um generisch zu wirken
Proof-of-Work
- Bilder
- Videos
- Screenshots
- Tabellen oder Daten aus eigener Analyse
Konsistenz
- Wiederholte Beschäftigung mit einem Thema
- Langfristige Entwicklung der Inhalte
- stabile thematische Linien einer Author Entity
Drittplattform-Signale
- Branchen-Websites
- Podcasts
- Erwähnungen von außen
All diese Elemente verstärken die Glaubwürdigkeit einer Quelle.
6. Experience als neues Fundament für Trust
In den letzten Jahren haben Nutzer Vertrauen verloren – in Medien, in Institutionen, in „offizielle" Autoritäten. Die digitale Öffentlichkeit reagiert sensibler auf Authentizität als früher. Menschen glauben denen, die Erfahrungen teilen, und sind skeptisch gegenüber rein abstrakten Informationen.
Damit wird Experience zum neuen Fundament:
- Nutzer erkennen echte Inhalte schneller.
- Storytelling hat plötzlich eine semantische Funktion.
- Persönliche Nähe wird zu einem Qualitätsmerkmal.
Und Google hat verstanden: Wer die Realität kennt, trifft bessere Vorhersagen und schreibt mit mehr Präzision. Experience ist kein emotionales Signal – es ist ein strukturell-informelles.
7. Was Autoren und Marken heute konkret tun müssen
Für Unternehmen, Autoren, Berater oder Fachleute bedeutet das:
1. Autorprofile stärken
- Biografische Details offenlegen
- Herkunft der Erfahrung erklären
- Tätigkeiten und Projekte sichtbar machen
2. Reale Erfahrung intensiver dokumentieren
- Case Studies
- Lessons Learned
- Fotos oder Grafiken
- „Behind the Scenes"-Elemente
3. Semantische Konsistenz erzeugen
- Themenführerschaft aufbauen
- klare thematische Domänen schaffen
- Inhalte verzahnen
4. First-Party-Signale priorisieren
- eigene Daten
- eigene Sichtweisen
- eigene Frameworks
5. Entities verbinden
- Autor ↔ Website ↔ Themenbereich
- Linked Data, schema.org, Knowledge Panels
Die klassische Frage „Wie viele Backlinks brauche ich?" wird zunehmend durch die Frage ersetzt: Wie viel echte Erfahrung bringe ich in dieses Thema ein?
8. E-E-A-T im Zeitalter der KI-Suche
Mit der Einführung von AI Overviews, Answer Engines und LLM-Suche hat sich das Spielfeld verändert. LLMs sind Entity-Retriever. Sie arbeiten nicht keyword-basiert, sondern bedeutungsbasiert.
Das bedeutet:
- Erfahrung wird zu einem zentralen Kontextsignal für LLMs.
- Autoritäten werden über semantische Kohärenz statt über Backlinks abgebildet.
- Source Entity Trust entsteht aus konsistenten, authentischen, erfahrungsnahen Inhalten.
E-E-A-T ist damit kein Google-Konzept mehr, sondern ein universelles Framework für Vertrauensbildung in einer Welt, in der Menschen und Maschinen gleichermaßen lernen, Bedeutung zu verstehen.
9. Praxisbeispiel: Bergführer vs. Akademiker
Szenario: Artikel über Lawinensicherheit
Autor A: Akademiker (hohe Expertise, geringe Experience)
"Die Bildung von Schneebrettlawinen folgt komplexen meteorologischen und topografischen Faktoren. Temperaturgradienten, Kristallstrukturen und Hangneigungen spielen eine entscheidende Rolle bei der Stabilitätsbeurteilung von Schneedecken."
→ Fachlich korrekt, aber theoretisch und distanziert
Autor B: Bergführer (hohe Experience, moderate Expertise)
"Als ich 2019 am Aletschgletscher unterwegs war, hörten wir gegen 14 Uhr ein charakteristisches Wumm-Geräusch – ein Zeichen dafür, dass sich die Schneedecke setzt. Wir brachen die Tour sofort ab. Drei Stunden später ging 200 Meter über uns eine Lawine ab. Seither achte ich bei Südlagen nach 13 Uhr besonders auf Setzungsgeräusche und Rissbildungen."
→ Konkret, erfahrungsbasiert, mit klaren Handlungsempfehlungen aus der Praxis
Welcher Inhalt wird von Google bevorzugt?
Für eine Suchanfrage wie "Wie erkenne ich Lawinengefahr beim Bergsteigen?" ist Autor B wertvoller. Der Content zeigt:
- Persönliche Erfahrung (Ich-Perspektive)
- Konkrete Daten (2019, Aletschgletscher, 14 Uhr)
- Praktische Signale (Wumm-Geräusch, Rissbildungen)
- Lessons Learned aus realen Situationen
- Handlungsempfehlungen, die aus Erlebtem stammen
Autor A hat Expertise, aber Autor B kombiniert Experience mit anwendbarem Wissen – und das ist für E-E-A-T entscheidend.
10. Fazit
E-A-T war der Anfang: ein Versuch, Qualität im Web sichtbarer zu machen. E-E-A-T ist die Weiterentwicklung: ein Modell, das die Realität der digitalen Gegenwart abbildet.
Heute zählt nicht mehr nur, was jemand theoretisch weiß, sondern wie tief die Person das Thema erlebt hat. Vertrauen entsteht dort, wo Erfahrung, Wissen und integrative Perspektiven zusammenkommen – und wo Autoren ihre echte Beziehung zu einem Thema offen zeigen.
Im Kern ist E-E-A-T ein Schritt hin zu einer Such- und Wissenswelt, in der Bedeutung vor Form steht. Und wer die Bedeutung eines Themas lebt, wird langfristig sichtbarer – in Google, in KI-Systemen und in den Köpfen der Menschen.
Über den Autor
Marcus A. Volz ist Linguist und Spezialist für semantische KI-Systeme bei eLengua. Er analysiert, wie Suchmaschinen und KI-Systeme Bedeutung verstehen – von E-E-A-T über Source Entity Trust bis zur semantischen Autorität. Seine Arbeit verbindet theoretische Sprachwissenschaft mit praktischer Anwendung in SEO und Content-Optimierung.
Interesse an einer E-E-A-T-orientierten Content-Strategie?
eLengua unterstützt Unternehmen dabei, Autorität durch erfahrungsbasierte Inhalte aufzubauen – von der Autorprofilierung bis zur semantischen Vertrauensoptimierung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied zwischen E-A-T und E-E-A-T?
E-A-T (Expertise, Authoritativeness, Trustworthiness) wurde 2022 um ein viertes E für Experience erweitert. Während E-A-T primär theoretisches Wissen und institutionelle Autorität bewertet, ergänzt Experience die gelebte Praxis und persönliche Erfahrung. E-E-A-T ist damit ein ganzheitlicheres Vertrauensmodell, das sowohl akademische Expertise als auch praktische Erfahrung würdigt.
Warum hat Google Experience zu E-A-T hinzugefügt?
Google reagierte damit auf ein globales Muster: Menschen vertrauen persönlicher Erfahrung stärker als abstraktem Wissen. Das klassische E-A-T-Modell bevorzugte institutionelle Autorität und machte es neuen Autoren schwer, Sichtbarkeit zu erlangen. Experience ermöglicht es, praktische Erfahrung als eigenständiges Qualitätssignal zu werten – besonders wichtig in Bereichen wie Reisen, Produktbewertungen oder persönlichen Finanzen.
Wie erkennt Google Experience in Inhalten?
Google erkennt Experience durch narrative Signale (Ich-Perspektive, konkrete Daten, situative Details), Proof-of-Work (Bilder, Screenshots, eigene Analysen), semantische Konsistenz (wiederholte thematische Beschäftigung) und Drittplattform-Signale (LinkedIn, Branchen-Websites, Podcasts). Diese Elemente bilden ein semantisches Muster, das LLMs und Suchmaschinen gut identifizieren können.
Was ist Source Entity Trust?
Source Entity Trust ist ein übergeordneter Vertrauensrahmen, der erklärt, wie Suchmaschinen heute Autorität konstruieren. Im Gegensatz zu klassischen Backlink-basierten Autoritätssignalen entsteht Source Entity Trust aus konsistenten, authentischen und erfahrungsnahen Inhalten sowie der semantischen Kohärenz einer Quelle über viele Dokumente hinweg.
Wie unterscheiden sich Expertise und Experience?
Expertise bedeutet Wissen, Ausbildung und methodische Fähigkeit – also theoretisches Verständnis. Experience bedeutet gelebte Praxis, unmittelbare Erfahrung und eigenes Erleben. Ein Finanzberater hat Expertise, jemand der durch eine Inflation gegangen ist, hat Experience. Beide haben Wert, aber je nach Thema ist die Erfahrung oft das authentischere und relevantere Signal.
Welche Signale zeigen Experience in Inhalten?
Experience äußert sich in: Ich-Perspektive, konkreten Daten und Zeitangaben, bildhaften Beschreibungen, Fehlern die der Autor gemacht hat, Vergleichen aus der Praxis, Empfehlungen die klar aus Erlebtem stammen sowie Fotos, Screenshots und Dokumentationen. Diese Signale bilden ein semantisches Muster, das für Suchmaschinen erkennbar ist.
Wie wirkt sich E-E-A-T auf SEO-Strategien aus?
E-E-A-T verlangt eine stärkere Fokussierung auf Autorprofile, reale Erfahrungsdokumentation, semantische Konsistenz und First-Party-Signale. Die klassische Frage "Wie viele Backlinks brauche ich?" wird zunehmend durch die Frage ersetzt: "Wie viel echte Erfahrung bringe ich in dieses Thema ein?" Content muss authentischer, persönlicher und nachweisbar erfahrungsbasiert sein.
Ist E-E-A-T auch für KI-Suche relevant?
Ja, sogar besonders. Mit AI Overviews und LLM-Suche wird E-E-A-T zu einem universellen Framework für Vertrauensbildung. LLMs sind Entity-Retriever und arbeiten bedeutungsbasiert. Erfahrung wird zu einem zentralen Kontextsignal, Autoritäten werden über semantische Kohärenz statt über Backlinks abgebildet, und Source Entity Trust entsteht aus konsistenten, authentischen, erfahrungsnahen Inhalten.
